Sprache ist ein seltsames Phänomen – besonders, wenn man über den eigenen Tellerrand hinausblickt. Denn Wörter können selten wörtlich genommen werden; sie tragen selten nur ihre definierte Bedeutung – besonders wenn man die Welt der Idiome betrachtet. Tief in jeder Phrase und jedem längeren Satz verbergen sich zahllose Ebenen aus Kontext, Vergleichen und Metaphern, die einem kulturell Außenstehenden nicht unbedingt geläufig sind.
Das bedeutet jedoch nicht, dass Sprachen für immer ein Geheimnis bleiben müssen. Wenn Sie mit Ihren internationalen Nachbarn Kontakt halten und hinter die Fassade der Begriffe schauen, können Sie ihnen wesentlich mehr Sinn entlocken.
Zur Veranschaulichung werfen wir hier einen Blick auf sieben Idiome aus verschiedenen Sprachen. Idiome sind Redewendungen mit einer Bedeutung, die sich nicht unmittelbar aus den Wörtern selbst ergibt. Jedes dieser Idiome mag zunächst seltsam klingen, aber mit ein wenig kulturellem Kontext lüften sie ihr Geheimnis und werden verständlicher – so sehr, dass sie vielleicht sogar Eingang in Ihre eigene Alltagssprache finden werden.
Französisch: „avoir le cafard“
Übersetzung: „die Kakerlake haben“
Wie reagieren Sie gewöhnlich auf eine Kakerlake? Vermutlich mit Ekel, Schock oder vielleicht sogar Angst. Eine weitaus seltenere Reaktion ist hingegen „Traurigkeit“.
In Frankreich ist Traurigkeit genau das Gefühl, das dieser Satz vermittelt, denn das französische „avoir le cafard“ – wörtlich „die Kakerlake haben“ – bedeutet, melancholisch oder deprimiert zu sein.
Woher in aller Welt kommt diese Bedeutung? Das Ganze ist in Teilen ein Wortspiel. „Cafard“ bedeutet nicht nur „Kakerlake“, es kann auch für „Heuchler“ oder „Melancholie“ verwendet werden. Diese spezielle Nutzung des Wortspiels tauchte zum ersten Mal in Charles Baudelaires Gedicht Le Fleurs du Mal auf und hat sich seitdem gehalten. Anscheinend ist die Imagination von Traurigkeit ein so starkes Bild. (Fragen Sie nur Franz Kafka!)
Wenn Sie das nächste Mal eine Kakerlake sehen – was hoffentlich nicht so bald der Fall sein wird – erscheint es Ihnen nun vielleicht eher als Tragödie denn als Anlass, schockiert die Füße hochzuziehen. Falls nicht gleich das, dann denken Sie doch zumindest an diese Bedeutung.
Deutsch: „Ich habe einen Kater“
Am anderen Ende des tierischen Beliebtheitsskala: Katzen! Sie gehören zu den beliebtesten Haustieren. Selbst bei Menschen, die sie nicht mögen, lösen sie immerhin nicht den Schock oder das Entsetzen aus, wie es bei Ungeziefer der Fall ist. Wenn Deutsche also davon sprechen, „einen Kater zu haben“, dann ist das doch positiv, oder?
Nicht wirklich. Denn in Deutschland bedeutet in vielen Zusammenhängen „Ich habe einen Kater“ eher „verkatert zu sein“.
Der Ursprung dieser Redewendung liegt zum Glück nicht in einer Abneigung gegenüber Katzen. Vielmehr stammen die Wurzeln dieses Ausdrucks offenbar aus Griechenland: Das griechische „katarrh“, welches einen Zustand vergleichbar einer Erkältung bezeichnet, ist dem Wort „Kater“ klanglich recht ähnlich. Diese Ähnlichkeit führte dazu, dass das deutsche Wort im Volksmund die gleiche Bedeutung trägt. Und da die Symptome eines Schnupfens nicht weit von denen entfernt sind, die man am Morgen nach einer ausgelassenen Party hat, blieb der Begriff „Kater“ schließlich hängen.
Wenn Sie also in Deutschland über Ihre Katze sprechen möchten, sollten Sie darauf achten, dass es sich um die kuschelige Variante handelt und nicht um die Sorte, die einem seine Krallen in den Schädel hämmert. Idiome können schnell zu Verwirrung führen.
Italienisch: „arrampicarsi sugli specchi“
Übersetzung: „auf Spiegeln klettern“
Die Vorstellung ist etwas seltsam, aber bleiben Sie einen Moment lang dabei: Stellen Sie sich vor, Sie würden versuchen, einen riesigen Bodenspiegel hochzuklettern. Es braucht nicht viel Vorstellungskraft, um zu erkennen, dass dies schwer möglich ist. Wo fassen Sie auf einer vollkommen glatten Oberfläche Fuß? Wie sollen Sie verhindern, dass Sie abrutschen?
Genau um diese Sinnlosigkeit geht es in dieser italienischen Redewendung, einem besonders schönen Beispiel für Idiome. Der Begriff „arrampicarsi sugli specchi“ bedeutet nicht, dass eine Person buchstäblich versucht, an einer Glasscheibe hochzukrabbeln. Es bedeutet vielmehr, dass das, was diese Person tut, eben unmöglich ist und lächerlich wirkt.
Dieser Ausdruck wird insbesondere im Zusammenhang mit Argumenten verwendet: Wenn jemand einen völlig unhaltbaren Standpunkt verteidigt und dabei die ganze Zeit unsinnige oder unglaubliche Ausreden benutzt, dann versucht er quasi, auf einen Spiegel zu klettern. Die englische Redewendung „grasping at straws“ (wir sagen: „nach einem Strohhalm greifen“) ist ein passendes Pendant.
Wenn Sie sich also das nächste Mal streiten, ist es vielleicht eine gute Idee, an einen Spiegel zu denken. Nicht nur zur Selbstreflexion, sondern auch, um zu überlegen, ob Sie oder die andere Partei gerade versuchen, daran hochzuklettern.
Spanisch: „hablar sin pelos en la lengua“
Übersetzung: „ohne Haare auf der Zunge sprechen“
Aus dem Spanischen kommt ein etwas unfeiner Beitrag, der aber zunächst ebenso rätselhaft erscheint wie die anderen Idiome. Für diejenigen, die der Sprache nicht mächtig sind, mag dieser Ausdruck kaum ungewöhnlich klingen – wie viele Menschen haben schon Haare auf der Zunge? „Haare auf den Zähnen“ vielleicht, aber auf der Zunge? Es ist doch ganz normal, zu sprechen, ohne ein Fell im Mund zu haben.
Da dieses Idiom aber auf unserer Liste steht, ist dieser Satz auch nicht so wörtlich zu nehmen. Im Spanischen bedeutet „ohne Haare auf der Zunge zu sprechen“ soviel wie ehrlich und offen zu reden, meist ohne Rücksicht auf gesellschaftlichen Druck.
Wenn Sie sich dieses Bild vor Augen führen, ergibt es mehr Sinn, als Sie vielleicht zunächst dachten. Wenn man Haare auf der Zunge hätte, gäbe es eine ganze Reihe von Problemen (abgesehen von einigen äußerst schmerzhaften Waxing-Sitzungen). Vor allem hätten sie eine sehr verwaschene, stark verfälschte Aussprache. Doch ohne diese imaginären Haare kann man völlig frei und offen, nach Herzenslust reden. Wenngleich wir keinen genauen Ursprung für die Vorstellung einer pelzgefütterten Zunge haben, so ist es doch diese Idee der Wortverdrängung, die diese Redewendung relevant macht.
Da allzu freimütiges Reden dennoch zu brenzligen Situationen führen kann, sollten wir es mit dieser Redewendung vielleicht nicht zu weit treiben. Insbesondere, wenn Sie sich nicht den Mund fusselig reden wollen.
Portugiesisch (Brasilianisch): „viajando na maionese“
Übersetzung: „auf Mayonnaise reisen“
Gönnen Sie sich einen Moment und tauchen Sie in Ihre eigene kleine Traumwelt ein. Das Traumland sieht natürlich bei jedem Menschen anders aus, aber zu den Gemeinsamkeiten gehören wahrscheinlich flauschige Wolken, majestätische Schlösser, … – aber Mayonnaise?
Zumindest in Brasilien ist das der Fall. Im südamerikanischen Portugiesisch bedeutet „viajando na maionese“, wörtlich „auf Mayonnaise reisen“, in einem Tagtraum zu leben, den Kopf in den Wolken zu haben oder anderweitig den Boden der Tatsachen verlassen zu haben.
Die Herkunft dieses Ausdrucks ist allerdings nicht ganz klar. Eine Theorie besagt, dass brasilianische Mayonnaise-Fabriken in der Vergangenheit ihren Mitarbeitern kostenlose Reisen versprachen, diese dann aber nicht gewährten. Ein anderer Gedanke ist, dass das Wort selbst im Portugiesischen für eine verworrene Mischung von Ideen steht, weil Mayonnaise ein Mischmasch verschiedener Zutaten zu einer glatten, cremigen Sauce ist.
Wie auch immer diese Redewendung entstanden sein mag: Sie besticht heute durch ihre faszinierende Art, alltägliche Aussagen zu würzen.
Norwegisch: „ugler i mosen“
Übersetzung: „Eulen im Moos“
Wenn Sie Twin Peaks gesehen haben, wissen Sie bereits: Eulen symbolisieren Gefahr. Doch selbst dann, was hat diese Floskel in Norwegen verloren? Und überhaupt, was machen Eulen ausgerechnet im Moos?
Erstens: „ugler i mosen“ ist eine norwegische Redewendung, die ausdrückt, dass an einer bestimmten Situation etwas nicht stimmt, und das keineswegs auf positive Art und Weise. Vielmehr vermittelt der Ausspruch den Verdacht, dass Sie misstrauisch sind, oder dass Sie vermuten, dass Gefahr droht. Die englische Entsprechung könnte lauten „I smell a rat“, oder im Deutschen „Unrat wittern“.
Wenn Sie sich nun Sorgen machen, dass bei einer Reise zu den Fjorden die Gefahr bestünde, es könnten Raubvögel im Unterholz lauern – seien Sie unbesorgt. Die Ursprünge dieser Floskel sind etwas komplexer. Die Redewendung entstand eigentlich aus dem dänischen Ausdruck „uller i mosen“, was wörtlich übersetzt „Wölfe im Sumpf“ bedeutet – Idiome gibt es oft in mehreren Sprachen. Dies drückte natürlich ebenfalls die Angst vor einer versteckten Gefahr oder einer unangenehmen Überraschung aus. Denn ein Rudel Wölfe, das sich im Sumpf versteckt, ist ein ziemlich fieser Hinterhalt. Als jedoch die Wölfe aufgrund übermäßiger Jagden aus den nordischen Gebieten verschwanden und Dänemark nach den napoleonischen Kriegen die Kontrolle über Norwegen verlor, wurde aus „uller“ das heute gebräuchlichere (und phonetisch ähnliche) „ugler“ oder „Eulen“.
Das Leben (und die menschliche Sprache) findet immer eine Lösung, wie es scheint. Aber wie dieser Satz zeigt: Es ist klug, auf der Hut zu sein vor schrägen Varianten solcher Entwicklungen.
Ukrainisch: „чекати з моря погоди“ (chekaty z morya pohody)
Übersetzung: „Auf [gutes] Wetter vom Meer aus warten“
Eine Bootsfahrt kann ein wankelmütiges und derweilen gefährliches Unterfangen sein. Vom Strand aus kann man das Meer beobachten und sehen, wie oft die Stimmung der See von ruhig bis stürmisch wechselt.
Dieses Prinzip ist der Kern der ukrainischen Redewendung „chekaty z morya pohody“. „Auf das Wetter vom Meer warten“ bedeutet im übertragenen Sinne, nichts zu unternehmen, obwohl eindeutig eine Reaktion erforderlich ist. Genauso wie es töricht wäre, mitten in einem tobenden Sturm einfach auf dem Boot zu warten, beschreibt diese Redewendung eine Situation, in der Untätigkeit genau der falsche Ansatz ist.
Eine gängige Meinung ist, dass diese Redewendung von Seeleuten auf See stammt, die keine andere Wahl haben, als sich aus dem Unwetter heraus zu segeln. Es ist aber auch möglich, dass sie von Landratten stammt. Denn wenn Sie schon am Strand schlechtes Wetter aufziehen sehen, welchen Sinn macht es dann, am Ufer auf den Wetterumschwung zu warten? Wenn Sie gleiches „vom Meer aus“ beobachten, werden Sie am Ende genauso in den Sturm geraten.
Egal, ob Sie auf dem Wasser oder an Land sind: Denken Sie daran, dass es nicht unbedingt die klügste Entscheidung ist, den Stürmen zu trotzen, auch wenn er vorüberziehen wird.
Schlusswort – Die Lehren der Idiome
So unterschiedlich die einzelnen Kulturen und Regionen sein mögen, wirklich undurchschaubar sind sie nie – auch nicht für Außenstehende. Mit ein wenig Übung ist es nicht schwer, einen fremden Teil der Welt besser kennenzulernen. Ganz gleich, wie sich die Bewohner dort artikulieren und welche Idiome sie verwenden.
Bei Wildix wird diese Idee schon seit langem aufgegriffen und in die Tat umgesetzt. Wir unterhalten weltweit mehrere Niederlassungen, jeweils mit dem Ziel, lokale Märkte mit professioneller Kommunikationstechnologie zu bedienen. Hinzu kommen unsere Partner aus der ganzen Welt, die Wildix rekrutiert, um den Kunden einen einzigartigen Mehrwert zu bieten.
„It’s a Small World“ heißt ein bekannter Song; die Welt ist ziemlich klein, wenn man die Dinge herunterbricht. Alle diese Idiome klingen zwar abenteuerlich, aber mit ein wenig Kontext wird aus der scheinbar kuriosen Wortkombination etwas unmittelbar Sinnvolles. Letztendlich sind es die Gedanken und Bedürfnisse der Menschen, die jedes Sprichwort in jeder Sprache bestimmen. Egal wie seltsam sie von außen betrachtet erscheinen mögen.
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